Werden wir in Zukunft nur noch elektrisch fahren und was bedeutet dies für Gesellschaft, Klima und die Autoindustrie? Über diese und weitere Fragen aus dem Bereich der elektrischen Antriebstechnik referierte am 21. April 2010 Prof. Dr.-Ing. Hermann Scholl, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Robert Bosch GmbH, an der Universität Stuttgart. Der Einladung des Landesverbands Liberaler Hochschulgruppen Baden-Württemberg, Liberaler Hochschulgruppe Stuttgart und Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit waren über 300 Studierende und Professoren sowie Vertreter aus Politik und Wirtschaft gefolgt. So konnte Alexander Schopf, Landesvorsitzender der LHG, in dem bis auf den letzten Platz besetzten Hörsaal, Dietmar Bachmann MdL, den Sprecher für Hochschulpolitik der FDP/DVP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg und Dr. Michael Daemgen, den Präses des Verbands Liberaler Akademiker, dem Alumni-Verband der LHG, begrüßen.
In jüngerer Zeit, in der niedrige Verbrauchswerte und reduzierter Schadstoffausstoß immer wichtiger geworden seien, stellt sich die Frage nach dem idealen Antriebskonzept stärker als je zuvor, so Prof. Scholl in seinem für Fach- und Laienpublikum gleichermaßen mitreißenden Vortrag. Effiziente Verbrennungsmotoren, zu einem immer größeren Teil auch in Kombination mit einem Elektromotor, hätten die langjährige Idee vom Fahren mit der Brennstoffzelle mittlerweile überholt.
Prof. Hermann Scholl zur Elektromobilität from LHG Baden-Württemberg on Vimeo.
Auch wenn die Möglichkeit des elektrischen Fahrens keine neue Erfindung sei, sondern bereits früh nach Beginn des Automobilzeitalters existierte, gebe es bisher noch ungelöste Probleme bei der Konstruktion vollständig elektrischer Fahrzeuge, so Scholl weiter. Vor allem die Entwicklung im Bereich der Batterien sei aktuell noch nicht so weit, hinsichtlich Gewicht, Reichweite und Kosten mit konventionell angetriebenen Fahrzeugen mitzuhalten. Wenn auch der Markt für neue Antriebe in Zukunft stark anwachsen dürfte, sollte der Verbrennungsmotor dennoch lange Zeit nicht komplett zu ersetzen sein.
„Die Geschichte der Elektromobilität ist daher eher als Evolution, denn als Revolution anzusehen“, ist sich Professor Scholl sicher.
Diese Einschätzung spiegelte sich auch deutlich in den Fragen aus dem Publikum in der anschließenden Diskussion wieder. Bei Getränken und Gebäck nutzten Studierende und Dozenten die Möglichkeit, mit einem bestens aufgelegten Hermann Scholl ins Gespräch zu kommen.[mygal=scholl2]
Zum Weiterlesen im Folgenden Auszüge aus dem Vortrag vom 21. April 2010 an der Uni Stuttgart, Campus Vaihingen, wie sie auch auf http://www.bosch-presse.de zu finden sind.
Kraftfahrzeugtechnik
Bosch-Aufsichtsratsvorsitzender
Prof. Dr.-Ing. Hermann Scholl
Elektromobilität – Revolution oder Evolution?
Veranstaltung der Liberalen Hochschulgruppe Stuttgart und der Friedrich-Naumann-Stiftung
Auszüge aus dem Vortrag am 21. April 2010 an der Uni Stuttgart, Campus Vaihingen.
Zu Beginn der Automobilgeschichte war es zeitweise unklar, ob der Elektroantrieb oder der Benzinmotor das Rennen machen würde. Elektromotoren sind in ihrem Aufbau wesentlich einfacher. Sie waren auch in den ersten zwanzig Jahren der Geschichte des Automobils zuverlässiger als der Benzinmotor, der vor allem große Probleme mit der Zündung und mit dem Vergaser hatte. Aber schließlich gewann der Benzinmotor den Entwicklungswettlauf, in erster Linie wegen der hohen Energiedichte von Benzin im Vergleich zu der von damaligen Batterien. Und die Probleme mit Zündung und Vergaser wurden dann relativ schnell gelöst.
In den vergangenen 100 Jahren gab es immer wieder Versuche, dem Elektroantrieb zum Durchbruch zu verhelfen. Bereits in den 40er und 50er Jahren fuhren viele Bierfahrzeuge mit Elektroantrieb durch Stuttgart, mit riesigen Batteriekästen unter der Ladefläche. Bosch arbeitete bereits in den 60er Jahren an Elektroantrieben für Kleinwagen, u. a. für das „Goggomobil“ der Firma Glas. Der neue Ansatz war damals die Verfügbarkeit von Halbleiterbauelementen, mit denen man die Elektromotoren fast verlustfrei steuern konnte, so dass nicht ein Teil der in der Batterie gespeicherten Energie in den damals üblichen Vorwiderständen verheizt werden musste. Die Reichweite wurde dadurch etwas besser, blieb aber immer noch unzureichend.
Anfang der 70er Jahre unternahmen Mercedes-Benz und MAN große Anstrengungen, Stadtomnibusse mit Elektroantrieb zur Serienreife zu bringen. Die Städte waren an Omnibussen ohne Schadstoffausstoß sehr interessiert. Es gab erste Linieneinsätze, die aber wieder eingestellt wurden.
Batterie als Schlüsseltechnik zur Elektromobilität
In den Jahrzehnten danach gab es immer wieder Projekte für Personenwagen, die von Automobilherstellern initiiert wurden. Sie scheiterten alle an der Unzulänglichkeit der Bleibatterien, deren Energiedichte in den vergangenen Jahrzehnten wenig Fortschritt verzeichnete. Erst seit Batterien in Lithium-Ionen-Technik zur Verfügung stehen, macht es Sinn, sich wieder mit Elektroantrieben zu befassen. Bei Hybrid-Antrieben, die schon länger unterwegs sind, reicht im Grunde eine Batterie in Nickel-Metall-Hydrid-Technologie aus, die in ihrer Speicherfähigkeit zwischen Bleibatterie und Lithium-Ionen-Batterie liegt.
In den vergangenen Jahren ist das Thema „Elektroantriebe“ von zwei Seiten in Bewegung geraten:
Die Rechnung mit dem CO2-freien Auto geht aber nur auf, wenn der Ladestrom für die Batterien aus erneuerbarer Energie gewonnen wird. Stammt der Strom aus Kohlekraftwerken, so ist die CO2-Bilanz schlechter als beim Benzinmotor und wesentlich schlechter als beim Dieselmotor.
Es gibt einen dritten Aspekt: Die voraussichtliche Erschöpfung der Ölvorräte in 50 bis 100 Jahren.
In diesem Jahr werden voraussichtlich weltweit ca. 68 Millionen Fahrzeuge produziert werden. Das sind sieben Prozent weniger als im Spitzenjahr 2007, in dem die Produktion bei rund 73 Millionen Einheiten lag.
Für 2020 wird mit einer Fahrzeugproduktion von 90 bis 100 Millionen Einheiten gerechnet. Rund zehn Millionen Hybrid- und Elektrofahrzeuge mit denen wir dann rechnen, würden rund zehn Prozent der Gesamtproduktion ausmachen.
2020 wird der Verbrennungsmotor noch wichtigster Autoantrieb sein
Für 2020 rechnet Bosch mit rund drei Millionen rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen. Bei einer Gesamtproduktion von 90 Millionen Einheiten ergibt dies noch 87 Millionen Verbrennungsmotoren; das sind 14 Millionen mehr als 2007 produziert wurden. Selbst bei dem dreifachen Ansatz für 2020 mit rund zehn Millionen reinen Elektrofahrzeugen würde die Produktion an Verbrennungsmotoren noch weiter ansteigen.
Wir rechnen nicht mit einem breiten Einsatz der Hybridtechnik. Sie ist eher eine Brückentechnologie, die die Antriebstechnik nicht revolutionieren wird. Dafür ist sie wegen der zwei Antriebe – zusätzlich zum Verbrennungsmotor noch der Elektromotor mit der Batterie – zu teuer. Für die Automobilbranche wird sie sehr aufwendig werden, da aus Wettbewerbsgründen immer mehr Fahrzeugtypen auch als Hybrid-Variante angeboten werden.
Eine vollständige Ablösung des Verbrennungsmotors durch einen batterieelektrischen Antrieb ist derzeit überhaupt nicht abzusehen. Man kann sich zwei Szenarien vorstellen:
Die Industriegeschichte lehrt, dass sich Technologien wehren, wenn ihnen die Ablösung durch eine neue, andersartige Technologie droht. Natürlich ist es nicht die Technologie selbst, sondern es sind vor allem die Mitarbeiter in den Entwicklungsabteilungen, die für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen und denen wieder mehr einfällt. Gleichzeitig gibt es in Europa gesetzliche Auflagen für die weitere Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs. Ähnliches gilt für die USA. Und die Kraftfahrzeughersteller wissen, dass sie diesem Zwang durch eine raschere Umstellung auf Elektrofahrzeuge nicht entgehen können, weil dieses industriell nicht darstellbar ist.
Verbrennungsmotoren haben noch Entwicklungspotenzial
Beide Effekte, die drohende Ablösung des Verbrennungsmotors und die gesetzlichen Zwänge, führen zu einem weiteren nachhaltigen Schub bei der Verringerung der Kraftstoffverbräuche von Benzin- und Dieselfahrzeugen.
Bosch setzt daher mit großer Intensität seine Weiterentwicklung der Einspritztechnik für Benzinmotoren und für die Dieselmotoren in Richtung einer weiteren Verringerung des Verbrauchs, wie auch einer weiteren Absenkung der Schadstoffemissionen fort. Angesichts unserer bedeutenden Weltmarktanteile auf diesen Gebieten erwarten dies auch die Fahrzeughersteller von uns – nicht nur in Europa, sondern auch in den USA, in Südamerika, in Japan, Korea, China und Indien. Auf diesem Gebiet werden wir weiterhin jährlich Entwicklungsaufwendungen in der Größenordnung von rund einer Milliarde Euro haben. Der größere Teil hiervon entfällt auf die Anpassung der Systeme an neue oder weiterentwickelte Verbrennungsmotoren. Rund 200 Millionen Euro werden für die Weiterentwicklung der eigentlichen Systeme aufgewandt.
In einer vergleichbaren Größenordnung, also bei rund 200 Millionen Euro pro Jahr, liegt derzeit unserer Entwicklungseinsatz für Elektroantriebe einschließlich der Batterieentwicklung. Denn wir rechnen fest damit, dass längerfristig Elektrofahrzeuge einen bedeutenden Anteil an der Weltproduktion erhalten werden. Wir sprechen dann aber über 2030 und 2040.
Informationen zu Prof. Dr.-Ing. Hermann Scholl
Hermann Scholl ist seit 1. Juli 2003 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Robert Bosch GmbH. Des Weiteren ist er seit Mitte 1995 geschäftsführender Gesellschafter der Robert Bosch Industrietreuhand KG (RBIK).
Er wurde am 21. Juni 1935 in Stuttgart geboren. Nach dem Abitur (1954) studierte er Elektrotechnik (Fachrichtung Nachrichtentechnik) an der Universität Stuttgart und legte 1959 das Examen zum Diplom-Ingenieur ab. 1961 promovierte er dort zum Dr.-Ing.
Hermann Scholl wurde 1988 von der Kettering University, Flint, Michigan/ USA, die Ehrendoktorwürde (Doctor of Engineering) verliehen; 1993 zeichnete ihn die Technische Universität München mit dem Dr.-Ing. E. h. aus. 2005 wurde ihm vom Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg der Titel Professor verliehen.
Die Bosch-Gruppe ist ein international führendes Technologie- und Dienstleistungsunternehmen. Mit Kraftfahrzeug- und Industrietechnik sowie Gebrauchsgütern und Gebäudetechnik erwirtschafteten rund 275 000 Mitarbeiter im Geschäftsjahr 2009 einen Umsatz von 38,2 Milliarden Euro. Die Bosch-Gruppe umfasst die Robert Bosch GmbH und ihre mehr als 300 Tochter- und Regionalgesellschaften in über 60 Ländern; inklusive Vertriebspartner ist Bosch in rund 150 Ländern vertreten. Dieser weltweite Entwicklungs-, Fertigungs- und Vertriebsverbund ist die Voraussetzung für Wachstum. Pro Jahr gibt Bosch mehr als 3,5 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung aus und meldet rund 3 800 Patente weltweit an. Mit allen seinen Produkten und Dienstleistungen fördert Bosch die Lebensqualität der Menschen durch innovative und nutzbringende Lösungen.
Das Unternehmen wurde 1886 als „Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik“ von Robert Bosch (1861-1942) in Stuttgart gegründet. Die gesellschaftsrechtliche Struktur der Robert Bosch GmbH sichert die unternehmerische Selbständigkeit der Bosch-Gruppe. Sie ermöglicht dem Unternehmen, langfristig zu planen und in bedeutende Vorleistungen für die Zukunft zu investieren. Die Kapitalanteile der Robert Bosch GmbH liegen zu 92 Prozent bei der gemeinnützigen Robert Bosch Stiftung GmbH. Die Stimmrechte sind mehrheitlich bei der Robert Bosch Industrietreuhand KG; sie übt die unternehmerische Gesellschafterfunktion aus. Die übrigen Anteile liegen bei der Familie Bosch und der Robert Bosch GmbH.
Mehr Informationen unter www.bosch.com.
PI7018 – April 2010
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