Stellungnahme zum landesweiten Semesterticket

Es wird orakelt, dass an den Hochschulen in Baden-Württemberg schon bald eine Abstimmung zur Einführung eines landesweiten Semestertickets stattfinden soll.

Auf einer eigens dafür eingerichteten Facebookpage wird die frohe Botschaft verkündet, dass wir alle bald in Baden-Württemberg ganz mobil sein dürfen.

Aber wo Licht ist, da ist auch Schatten. Was uns als tolle Kompromisslösung verkauft wird, ist auf den zweiten Blick wenig ansehnlich.

Aber zuerst zum vorgeschlagenen System – es sieht drei Stufen vor:

Stufe 1: Zu dem Solidarbeitrag, den jeder von uns zu Beginn jedes Semesters zahlt, sollen auf jeden Fall 71,75€ dazukommen. Das zahlt ihr dann unabhängig davon, ob ihr ein Semesterticket habt oder nicht. Dafür sollt ihr dann aber werktags ab 18 Uhr durchs Ländle düsen dürfen – mehr aber auch nicht!
Das bedeutet in Stufe 1:
Solidarbeitrag eurer Uni + erweiterter Solidarbeitrag 71,75 €

Stufe 2: Ihr bezahlt schon den Solidarbeitrag und den erweiterten Solidarbeitrag aus Stufe 1. Wenn ihr jetzt noch das lokale Semesterticket von dem Verkehrsverbund bei euch kauft, dürft ihr nun nicht mehr nur im Ländle ab 18 Uhr unterwegs sein, sondern auch zu jeder beliebigen Zeit in eurem Verbund.
Das bedeutet in Stufe 2:
Solidarbeitrag eurer Uni + 71,75€ + Kosten für das Ticket vor Ort

Stufe 3: Da ihr jetzt aber immer noch nicht im schönsten Bundesland der Republik rumfahren könnt wann und wie ihr wollt, gibt es die Stufe 3. Alles was ihr tun müsst, ist nochmal 198,25€ auf den Tisch zu legen – und los geht’s!
Das bedeutet in Stufe 3:
Solidarbeitrag + 71,75€ + Kosten für das Ticket vor Ort + 198,25€

Weder klingt es simpel, noch ist es das. Was als erstes ins Auge sticht, ist die Tatsache, dass der, der landesweit unterwegs sein will, pro Semester tief in die Tasche greifen muss. Die Ausgaben in Stufe 3 können sich abhängig von den Kosten des Semestertickets vor Ort auf über 400€ pro Semester belaufen. Da klingt es fair und vernünftig, dass die Kosten insgesamt über den Solidarbeitrag auf alle Studierenden in Baden-Württemberg verteilt werden sollen – dann wird’s nicht ganz so teuer, wenn man alles will.

Man muss sich dabei aber vor Augen führen, dass nach Angaben des Verkehrsministeriums nur knapp 90% der Studierenden überhaupt ein Semesterticket erwerben können. Davon wiederum erwerben tatsächlich nur etwa 60% ein solches Ticket bei ihren Verkehrsverbünden.
Im Umkehrschluss heißt das, dass 40% der Studierenden einen Beitrag für etwas zu leisten haben, das sie selbst gar nicht nutzen. Und das haben diese 40% zu zahlen, ob sie wollen oder nicht.
Die Frage, ob die etwas kleinere Hälfte der Studierenden die Trips der anderen Hälfte der Studierenden quer durchs Ländle und zurück finanzieren müssen soll, beantworten wir mit einem klaren Nein!
Die finanziellen Belastungen vieler Studierenden sind sowieso schon schwer genug. Für viele gehört der Job genauso zum Alltag wie der wiederkehrende Ärger mit der Bürokratie beim BAföG.
Eine finanzielle Mehrbelastung für die Mobilität Anderer ist hier fehl am Platz. Und dafür ist die freie Fahrt für alle unter der Woche ab 18 Uhr nur ein schwacher Trost.

Hinzu kommt noch, dass das landesweite Semesterticket für einen sehr großen Teil der Studierenden in Baden-Württemberg schlicht unattraktiv ist. Studiert man denn nicht zufällig im Herzen von Baden-Württemberg, wie in Tübingen oder Stuttgart, sondern in einer der vielen Grenzunis, wie Heidelberg oder Ulm, nützt einem die Mobilität im ganzen Bundesland nur wenig. Direkt an der Grenze ist Schluss. Für einen Ulmer Studierenden wäre die freie Fahrt nach Bayern wohl praktischer. Häufig werden Anschlusstickets in benachbarte Verbünde auch günstiger und interessengerechter sein als ein landesweites Ticket.

Neben Alledem muss man noch danach fragen, ob es ein solches landesweites Ticket überhaupt braucht. Fragen wir uns doch alle selbst, wie oft wir das Bedürfnis haben, durch Baden-Württemberg zu reisen. Wenn es z.B. fünf Mal pro Semester von Tübingen nach Stuttgart gehen soll, kann man die 71,75€ besser dafür investieren – jeder für sich, jeder wie er oder sie es braucht.

Der große Wurf wird mit dem jetzigen Modell nicht zu erreichen sein. Wenn sich hier etwas ändern soll, dann bitte umfassend und richtig. Einheitliche landesweite Semestertickets gibt es auch in anderen Bundesländern.

Lieber kein Ticket, als dieses Ticket! Bei der Urabstimmung zum Ticket ist die einzig richtige Antwort: Nein!

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