Probleme des U-Modells

  • 15.06.2006

Welche Probleme hat das U-Modell?

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Historischer Exkurs zu den 68ern
Die Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft
Die Geburt des U-Modells
Probleme des U-Modells
Zeit für den Wechsel

Das sogenannte unabhängige Modell ist eine typische deutsche Lösung für ein typisch deutsches Problem, welche selbst wieder typisch deutsche Folgeschwierigkeiten verursacht. Aber der Reihe nach:

The image “https://lhg-bw.de/konstanz/files/2007/05/butl.gif” cannot be displayed, because it contains errors. Historischer Exkurs zu den 68ern

Seit ca. 1950 formierte sich in Deutschland eine breite studentische Bewegung mit den Hauptthemen Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, Umgang mit der DDR, Bewältigung der deutschen NS-Vergangenheit und Vietnamkrieg. Am 2.6.1967 wurde der Berliner Student Benno Ohnesorg während einer Demonstration von einem Polizisten erschossen. In der Folge spitzte sich die juristische Auseinandersetzung um die Frage zu, ob die Studentenvertretungen sich auch zu politischen Themen äußern dürfen. Seitens unionsgeführter Regierungen und der Gerichte wurde und wird die Position vertreten, dass die offiziellen Studentenvertretungen kein solches allgemeinpolitisches Mandat haben. Die Begründung läuft im Wesentlichen so: Der einzelne Student kann seinen Vertretern ja nur entfliehen, indem er die Hochschule wechselt. Deshalb dürfen jene sich nicht im Nahmen aller Studierenden politisch äußern, weil damit das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit des einzelnen in politischer Hinsicht eingeschränkt wäre. 1 Bis in die 90er Jahre hinein haben RCDS-Vertreter auf dieser Grundlage immer wieder gerichtliche Unterlassungsverfügen und Ordnungsgelder erwirkt, auch in Konstanz.

Das sogenannte unabhängige Modell ist eine typische deutsche Lösung für ein typisch deutsches Problem, welche selbst wieder typisch deutsche Folgeschwierigkeiten verursacht. Aber der Reihe nach:

The image “https://lhg-bw.de/konstanz/files/2007/05/butl.gif” cannot be displayed, because it contains errors. Die Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft

Die Eskalation des RAF-Terrors im Deutschen Herbst 1977 war der Auslöser für die Abschaffung der sogenannten Verfassten Studierendenschaft 2 in Bayern und Baden-Württemberg: Per Gesetz wurde der AStA dem Senat als Unterausschuss eingegliedert, jegliche allgemeinpolitische äußerungen untersagt, Finanz- und Satzungshoheit abgeschafft und Beschlüsse in anderen Gremien (Studierendenparlament, Vollversammlungen usw.) verboten. Was blieb, waren der offizielle AStA mit 13 Mitgliedern, drei studentische Mitglieder im Senat und ein oder zwei studentische Vertreter in allen übrigen Gremien und Räten alle diese aber mit dem drastisch reduzierten Kompetenzumfang. Berühmteste Formulierung für die politische Zielsetzung dieser Regelung ist die äußerung des damaligen Ministerpräsidenten Filbinger: Die Abschaffung der Verfassten Studentenschaft und damit der ASten, ist ein taugliches Mittel, ein Stück Sympathisantensumpf des Terrorismus trockenzulegen.

Auch von Professoren wurde das als unverhältnismäßige Gängelung der Hochschulen empfunden. Proteste, Aktionen, Streiks, an denen sich 500.000 Studierende an über 120 Hochschulen in Baden-Württemberg beteiligten, konnte die Verabschiedung des neuen Universitätsgesetzes aber nicht verhindern. Es wurde am 10. November 1977 im Landtag mit CDU-Mehrheit und gegen die Stimmen von SPD und FDP beschlossen.

The image “https://lhg-bw.de/konstanz/files/2007/05/butl.gif” cannot be displayed, because it contains errors. Die Geburt des U-Modells

Die Antwort der Studenten war die Gründung einer selbstorganisierten Vertretung an den kastrierten offiziellen Strukturen vorbei. Für die konkrete Ausgestaltung dieser neuen Demokratie wurde aber ein anderes Konzept gewählt als das des Grundgesetzes: Das rätedemokratische Modell. Höchstes Organ sollte die Vollversammlung sein, ausführendes Gremium ein Kollektiv aus sechs Studierenden mit einem imperativen Mandat, d.h. weisungsgebunden gegenüber der Vollversammlung.

In diesem Unabhängigen Modell sollte der Idee nach alle studentische Initiative gebündelt werden. Außerdem wollte man alle der offiziellen Vertretung zur Verfügung stehende Sach- und Finanzmittel in die Kasse des U-Modells tricksen. 3 Das inoffiziell gewählte Kollektiv sollte sich mit einer eigenen Wahlliste bemühen, auch die offiziellen Sitze im Senat zu erringen. Das alles geschieht und gelingt so bis heute. Die Anzahl von Kollektivisten kommt dabei nicht von ungefähr: Es sind die drei studentischen Senatsmitglieder und ihre Stellvertreter.

Gestützt wurde das U-Modell damals von Jusos, Sozialistischem Studentenbund und Marxistischem Studentenbund. Bis heute vereint es auf universitärer Ebene eher die linksgerichteten Gruppierungen. Die Grüne Hochschulgruppe ist hinzugekommen, andere Initiativen sind eingeschlafen. Der RCDS als ewiger Opponent spricht sich regelmäßig gegen unabhängige Strukturen, also folglich für eine Beschränkung auf die offiziellen aus.

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Obwohl klar illegal, wird das U-Modell inzwischen von Landesregierung und Universitätsleitung geduldet. In vielen Bereichen konnte es sich sogar als geschätzter Ansprechpartner etablieren (man denke nur an die Errungenschaften beim Studiticket). Es ist finanziell stabil, verfügt über ein Jahresbudget von ca. 60.000 EUR, welches sich zu ca. 1/3 aus Geldern es Landes (auf offiziellem Weg erhalten und dann an den Trägerverein FUSTA e.V. gespendet) und zu 2/3 aus Partyeinnahmen speist. Daraus finanziert das U-Modell ein vielfältiges, auch unpolitisches Serviceangebot, welches es uns sicher im Wahlkampf nochmals präsentieren wird.

Aus Sicht der LHG lassen sich die Probleme des U-Modells in drei Kategorien fassen:
1. Legitimität
2. Pluralität
3. Transparenz

1. Legitimität: Selbst wenn alle Besucher von Vollversammlungen U-Modell-Befürworter wären, muss von einer durchschnittlichen Unterstützerquote von 2-3 % der Studenten ausgegangen werden. Eine Ausnahme stellte die VV vom 3.12.2003 dar mit (je nachdem, wen man fragt) zwischen 900 und 1300 Teilnehmern, also maximal ca. 15 % und die war zugleich die größte Schlappe für das U-Modell: Hier ging es um den Antrag des damaligen Kollektivs, gegen Studiengebühren zu streiken. Der Antrag wurde abgelehnt das erste Mal in der Geschichte des Konstanzer U-Modells, dass ein Antrag des AStA keine Mehrheit fand.

Zum Teil wird die geringe Beteiligung mit der allgemeinen Politikverdrossenheit erklärt. Das erscheint uns unzutreffend. Immerhin geht die Politisierung so weit, dass ca. 20-25% der Studierenden bei den offiziellen Wahlen ihre Stimme abgeben. Es drängt sich der Verdacht auf, dass entweder die rätedemokratischen Strukturen nicht mehr zeitgemäß sind, oder aber seit Jahr und Tag eine Abstimmung mit den Füßen gegen dieses U-Modell stattfindet.

Es ist Beschlusslage der LHG, dass es tatsächlich ein unabhängiges Modell braucht, solange die VS verboten bleibt. Weil das illegal ist, wird das U-Modell immer ein Legitimitätsproblem haben. Es löst das Problem gegenwärtig aber eher schlecht.

2. Pluralität: Das U-Modell repräsentiert nur sozialistisch/sozialdemokratisch und ökologisch argumentierende Gruppen. Es ist ihm nicht gelungen, im Sinne einer breiten Basis auch liberale und konservative Kräfte zu integrieren. Deshalb leidet es an Meinungsarmut. Da oppositionelle Gruppen keine Unterstützung erhalten, fallen ihre Wahlkämpfe schwach aus. Wenn es Meinungskämpfe gibt, dann finden sie hinter den Kulissen statt.

Einseitigkeit in der öffentlichen Argumentation ist aus unserer Sicht auch der Grund dafür, dass in den vergangenen zwei Jahren sich nicht mehr genügend Leute zur Kollektivarbeit aufraffen konnten. Auch der auf der VV am 23.5. gewählte U-AStA für 2005/05 hat nicht mehr die Sollstärke von sechs Personen, wobei von einer Wahl ohnehin nicht gesprochen werden kann es gab ja keine Alternative.

Wir glauben, dass der Diskurs an unserer Hochschule um einiges spannender und vielfältiger wäre, wenn es verschiedene miteinander konkurrierende Gruppierungen gäbe. Die gebündelte administrative, personelle und finanzielle übermacht des U-Modells verhindert das bisher. Das Modell ist zu stark – schlecht für die Demokratie.

3. Transparenz: Es ist zwar richtig, dass das U-Modell sogenannte offene Strukturen hat. Jeder Student kann jederzeit Einsicht in Unterlagen usw. verlangen. Darum geht es aber nicht. Transparenz herrscht erst, wenn die internen Vorgänge auch aus anderen Perspektiven öffentlich dargestellt werden. Diese Rolle erfüllt traditionell eine Opposition, die sich das U-Modell aber bisher erspart.

Dann ist das Modell an sich auch schlicht zu kompliziert. Aus unserer Sicht ist es völlig unnötig bzw. rein ideologisch motiviert, einer repräsentativen Demokratie (den offiziellen Senatswahlen) eine rätedemokratische inoffizielle Struktur aufzupflanzen. Wäre der inoffizielle AStA ein parlamentarisches Gremium, welches gemäß dem Ergebnis der (offiziellen) Senatswahlen besetzt würde, würde diese zusätzliche Komplizierung wegfallen.

Im übrigen publiziert das U-Modell selbst kein Meinungsspektrum, sondern mit dem AStA-Info nur eine offizielle und vorab intern abgestimmte Lesart des Geschehens. Es muss die Möglichkeit geben, meinungsneutral, kostengünstig und ohne jede Zensur jegliche Stellungnahmen aller Gruppen und Einzelpersonen zu verbreiten. Das ist eine ganz zentrale Grundkonstante jedes demokratischen Systems wir halten es für eine demokratische Verpflichtung des U-Modells.

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Nach alledem ist eine Reform des U-Modells dringend notwendig. Innerhalb des U-Modells gibt es leider Hardliner, die strikt gegen eine Liberalisierung argumentieren. Das geschieht zum Teil auch aus politischen Motiven: Das U-Modell soll als bequeme Plattform für eine sozialistische Agenda erhalten bleiben. 4 Dass solche Leute seinem Ansehen schaden, liegt auf der Hand, dass das U-Modell wegen ihnen kurz vor dem Kollaps steht, ebenso.

Deshalb steht für uns fest: Die Idee des U-Modells ist gut – soweit es in seiner realexistierenden Form zu den vorgenannten Problemen führt, gehört es reformiert. Den nötigen frischen Wind kann nur eine externe Gruppierung bringen. Wir treten dafür ein, dass eine schlagkräftige, wählbare Opposition installiert wird.

Das U-Modell muss sich den angesprochenen Fragen selbstkritisch stellen und sein dogmatisches Verständnis von Basisdemokratie endlich aufgeben. Dabei ist durchaus zu überlegen, ob direktdemokratische Elemente erhalten bleiben, wie z.B. ein Antrags- und Rederecht jedes Studenten in jedem inoffiziellen Gremium. Das darf man aber nicht so weit treiben, dass die ganze Veranstaltung von außen nur noch als Einheitspartei, Einheitsliste oder gar Einheitsbrei wahrgenommen wird!

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